Monty Roberts in Deutschland – 26.09.2000 in Aachen
Im September war es endlich so weit: in seiner ersten Deutschland-Tournee besuchte der bekannte Pferdekenner aus den USA nun auch die hiesigen Fans.
Die etwa dreistündige Veranstaltung war gut organisiert und bot eine beeindruckende Demonstration der Kommunikation zwischen Mensch und Pferd. Vier Pferde mit unterschiedlichen Problemen bzw. Aufgabenstellungen wurden von Mr. Roberts vorgestellt und bis zu seinen selbst vorgegebenen Zielen erfolgreich trainiert. Nach seiner letzten Darbietung, dem Verladen eines verladescheuen Pferdes, erntete er vom Publikum standing ovations. In der halbstündigen Pause beantwortete Monty Roberts - während er Autogramme gab - Fragen des Publikums über Lautsprecher, so dass die Besucher auch hier noch weitere Informationen aufschnappen konnten. Ein Infostand mit Monty Roberts-Spezial-Zubehör und Bestellmöglichkeit war ebenfalls vorhanden.
Als erstes Pferd kam der dreijährige Picasso in den Ring, ein rohes Pferd, an dem Mr. Roberts das berühmte Join-up demonstrierte (mittels Körpersprache wird das Pferd in eine Fluchtbereitschaft versetzt, bis es sich der Person im Roundpen als einzigem Sozialpartner zuwendet und sich ihm anschließt, d.h. den Menschen ranghöher einstuft). Picasso verhielt sich umgänglich und ruhig und bot daher keine spektakulären Szenen - sehr zu meiner Freude, denn in nervenaufreibenden Situationen zeigen Tiere nur Angst und keinerlei Lernbereitschaft. Nach dem Join-up ließen beide dann in recht zügigem Tempo das Aufsatteln und Auftrensen hinter sich, Mr. Roberts zeigte Picasso an seiner Doppellonge "wo es lang geht", bevor Mr. Davis sich erst nur über den Sattel legte, aber bald aufsaß. Die ganze Vorführung dauerte immerhin knapp 30 Minuten - eine Zeit, die mich an Akkordarbeit erinnert. Allerdings wies Monty Roberts darauf hin, dass man sich für diese Prozedur durchaus eine Woche Zeit lassen kann, die er in dieser Vorstellung nicht zur Verfügung hat. Ich hoffe nur, Picasso's Besitzer gehen seine weitere Ausbildung etwas langsamer an.
Als nächster Kandidat erschien Siegfried, der nach einer schmerzhaften Maukebehandlung niemand an seine Hinterhufe ließ bzw. mit Ausschlagen reagierte. Siegfried zeigte sich Mr. Roberts gegenüber zunächst völlig ignorant, d.h. er ging einfach über ihn hinweg - ein typisches, schlecht bis gar nicht erzogenes, zivilisiertes Pferd. Siegfried war dem Join-up gegenüber wenig aufgeschlossen (rückwärts einparken!), so dass er am "Dually"-Halfter gearbeitet wurde (Spezial-Halfter, von Monty Roberts entwickelt: Stallhalfter mit zusätzlichem, zusammenziehbaren Nasenriemen). Durch abwechselndes Vorwärts- und Rückwärtsgehen - und natürlich im richtigen Moment nachgeben - lernt das Pferd, den Menschen zu respektieren (rückwärts), ihm aber auch zu vertrauen (vorwärts) - die nötige Basis für die folgende Umkonditionierung. Diese bestand darin, am ganzen Pferdekörper entlang zu streichen, anschließend die Hinterbeine hinab. Bleibt das Pferd still stehen, nimmt man die Hand zur Belohnung wieder weg, schlägt das Pferd aus, darf man die Hand auf keinen Fall weg nehmen :-) bis das Pferd wieder still stehen bleibt. Mr. Roberts' Trick ist ein künstlicher Arm (ein gepolsterter Besenstiel o.ä. mit Hemdsärmel und gefülltem Handschuh), der genau diese Aufgabe prima erfüllen kann. Nach einigen Übungen mit entsprechendem ruhigen, aber konsequenten Vorgehen lernte Siegfried relativ schnell, dass ihm keine Gefahr droht und ließ schließlich seine Hinterbeine kurz anheben - ein erster, aber großer Erfolg. Die Besitzer haben die Aufgabe, die Übungen fort zu führen und langsam zu steigern und sollten es mit dieser Anleitung und etwas Geduld schaffen, endlich wieder gefahrlos Siegfried's Hufe auskratzen zu können.
Nach der Pause wurde Charly Brown vorgestellt, der niemand an seine Ohren ließ. Dies stellt an und für sich für die meisten Pferdehalter kein Problem dar - sie merken wahrscheinlich überhaupt nicht, dass ihr Pferd kopfscheu ist. Charly ließ sich allerdings nur äußerst ungern und daher schlecht aufhalftern und auftrensen, abhalftern und -trensen waren weniger problematisch. Mr. Roberts zeigte nach einem kurzen Join-up eine Desensibilisierung, indem er - zuerst einen Haarfön einsetzte. Der vorher mit Wasser benetzte Hals des Pferdes wurde - nach einer kurzen Gewöhnung an den Fön - von der Schulter ausgehend Richtung Kopf mit warmer Luft angeblasen, ähnlich der Berührung durch eine Hand. Das Prinzip der Desensibilisierung besteht darin, den angstauslösenden Reiz nur so gering zu dosieren, dass das Pferd gerade noch keine Angstreaktion zeigt und es dann zu belohnen - durch Wegnehmen der Hand oder des Luftdrucks. Auf diese Weise "arbeitete" sich Mr. Roberts also an Charly Brown's Ohren heran. Das Problem solcher Gewöhnungsarbeit ist die Zeit, die sie benötigt, und die Gefahr, die Übungen nach den ersten Erfolgen zu schnell zu steigern. Und das passierte auch Monty Roberts, als er seine Hand etwas zu lange an Charly's Ohren ließ und der seinen Kopf hochwarf. Aber: mein Lob an Mr. Roberts, der seinen Fehler erklärte und auch direkt, wie weiter vorzugehen ist, nämlich indem man wieder einige Übungsschritte zurück geht und in aller Ruhe wiederholt.
Owen Manlina (oder so ähnlich) hieß die zierliche Stute, die ihre Besitzer seit Jahren beim Verladen an ihre Grenzen stoßen ließ; ihre bevorzugte Alternative war Steigen. Nach einem kurzen Join-up und anschließendem ausdauernden "Jo-Jo" (dem oben beschriebenen Vorwärts- und Rückwärtsgehen) wurde das Round-pen geöffnet und die Rampe des an der Seite stehende Doppelhängers (ohne Trennwand!) mit Fängen "eingerahmt" (die Rampe bekommt Seitenwände). Die beiden nähern sich, durch Rückwärtsgehen unterbrochen, dem Hänger und - gehen hinein! In dem Doppelhänger konnte Manlina sich bequem umdrehen und direkt wieder mit Mr. Roberts rausgehen. Es ist dabei ungeheuer wichtig, jetzt nicht die Hängerklappe zuzuschlagen und erleichtert aufzustöhnen, sondern dem Pferd zu zeigen, dass ein Anhänger nicht gefährlich ist, indem man mit ihm wieder hinausgeht. Nach einigen Übungen war Manlina dann sogar bereit, ohne Strick in den Hänger zu folgen. Einen kleinen Rückschlag erlebten wir, als die Besitzerin Manlina in den Hänger führen sollte. Hier zeigte sich deutlich der enorme Einfluss, den unsere Einstellung, unsere eigene Motivation, auf unsere Tiere ausübt: ein (skeptischer) Blick der Besitzerin zu ihrem Pferd reichte aus - Manlina blieb prompt stehen. Nach einer entsprechenden Unterweisung durch Monty Roberts und wahrscheinlich mit viel Anstrengung schaffte sie es dann: sie vertraute ihrem Pferd und beide gingen in den Hänger. So einfach kann das Leben sein! Aber auch hier heißt es, weiter zu üben und die Übungen zu steigern (Dauer, anschließend Fahrt). Nach meiner Meinung (aber die weicht hier von Monty Roberts' ab) kann hier zusätzlich mit Futter als positiver Verstärker gearbeitet werden - natürlich unter Beachtung des richtigen Zeitpunktes als Belohnung. Bei dieser Darbietung konnten sich die Zuschauer dann kaum noch beherrschen und brachen dann in wahre Beifallsstürme aus, als das Pferd die Halle kaum verlassen hatte. Die Menge war beeindruckt.
Der Vorteil Monty Roberts' Erfahrung und Professionalität liegt zusätzlich (sind beide per se schon ein Vorteil) in seinen ausführlichen Erklärungen und Kommentaren, die er während des gesamten konzentrierten Umgangs mit den Pferden fast lückenlos von sich gab und dadurch bei den aufmerksamen Zuhörern zu maximalen Lernerfolgen geführt haben (können).
Besonders gefiel mir, dass hier nicht simultan übersetzt wurde, sondern dass man immer abwechselnd und "häppchenweise" Monty Roberts O-Ton und die Übersetzung hören konnte. Ebenfalls gefiel mir seine Bemerkung, in Deutschland gebe es sehr viele "Brecher" unter den Pferden, da ihn alle vier Tiere direkt nach dem Kennenlernen zunächst ignorierten und anrempelten. Das sollte den deutschen Pferdehaltern zu denken geben, denn dieses Verhalten ist typisch für Pferde, die Ihre Menschen nicht ernst nehmen.
Harsche Kritik habe ich an Monty Roberts noch nie geäußert und habe auch nach dem Besuch dieser Vorführung keinen Grund dazu. Allgemein halte ich mich mit Kritik über so genannte "Pferde-Gurus" bedeckt, da ich es prinzipiell jedem hoch anrechne, der es schafft, Menschen im Umgang mit Pferden zu sensibilisieren und das Verständnis für diese Tiere zu fördern.
Die schärfste Kritik muss ich am Publikum äußern, da es einige Leute nicht fertig brachten, bei Anwesenheit offensichtlich nicht turniererprobter, sondern eher problembehafteter Pferde trotz mehrmaliger Aufforderung das Handy abzustellen, nicht mit Blitzlicht zu fotografieren oder - mitten in einer völlig ungewohnten oder eben noch ängstigenden Situation, die mit dem Pferd gerade mühsam verarbeitet wurde - nicht zu klatschen!